Rathaus
HERMANN JOHENNING (1881-1949)
Der damalige Gerichtsassessor Hermann Johenning war seit 1919 Bürgermeister der Stadt Oelde. Mit dem Ansinnen, seinen Bürgern Erholung im Grünen zu ermöglichen, setzte er gegen viele Widerstände die Schaffung des damaligen Stadtparks durch.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten musste Johenning 1933 dem Reichsredner Karl Graßmann weichen. Dieser hatte bis zum Einmarsch der Alliierten in Oelde die Macht inne. Am 31. Dezember 1938 wurde Johenning aus dem Amt entlassen, weil er dem katholischen Zentrum angehörte und somit bei den Nationalsozialisten als nicht linientreu galt.
Die Besatzungsmacht vertraute Johenning im April 1946 die Führung der Verwaltung als Amtsdirektor an. Aufgrund einer schweren Erkrankung konnte er dieses Amt jedoch nur wenige Monate ausüben.
Vom "Schandfleck"
„Im Übrigen verhunzte das Rathaus in hohem Maße unsere Stadt; der Abbruch desselben wird deshalb allgemein mit Freuden begrüßt. Möge ihm die Küsterei bald folgen.“
Was „Die Glocke“ im März 1890 schrieb, betraf das alte Rathaus, das Anfang des 17. Jahrhunderts gebaut worden war. Es stand quer vor der Langen Straße unweit der St.-Johannes-Kirche und ließ nur eine schmale Durchfahrt offen. Zusammen mit dem Nachbarhaus, der Küsterei, bildeten die Gebäude ein Verkehrshindernis.
Mit dem Abbruch begannen gut 90 Jahre, in denen Oelde kein Rathaus hatte. Jedenfalls findet sich an keiner Stelle diese Bezeichnung, wenngleich die Verwaltung in einem 1891 errichteten Gebäude an der Bahnhofstraße fortan arbeitete.
(Westseite des Rathauses; Aufnahme entstand vermutlich kurz vor dem Abbruch am 12.03.1890)
Zum "Schmuckstück"
1892: Umzug an die Bahnhofstraße
Weder in alten Akten noch in „Glocke“-Bänden findet sich ein Hinweis auf die Grundsteinlegung, das Richtfest oder die
Einweihung des neuen Amtshauses an der Bahnhofstraße.
1892 schreibt „Die Glocke“ von dem Amtshaus, wie es genannt wurde, als „schönstem Gebäude dieser Straße und (von den Kirchen und dem Pastorat abgesehen) der ganzen Stadt Oelde“
Arbeiten im "Amtshaus" in der Nachkriegszeit
Bernhard Rest (Verwaltungschef bis 1967) beschreibt in einem Aufsatz die Jahre nach dem Krieg:
„Als ich im November 1946 nach Oelde kam, fand ich im Amtshaus u. a. folgende Nutzung der Büroräume vor: Im Erdgeschoß war die Polizeistation mit zwei Räumen einquartiert. Im 1. Stock hatte die Kreisgesundheitspflegerin einen festen Arbeitsplatz. Das größte Zimmer dieses Stockwerkes, vielleicht ein Zehntel des neuen Rathaussaales, wurde für die Sitzungen der Amts- und Gemeindevertretungen und zugleich als Trauzimmer bis 1962 gebraucht. Es gab ferner in diesem Stockwerk ein voll funktionsfähiges Badezimmer (wenige Jahre später ausgebaut), das damals am Wochenende gelegentlich von Flüchtlingsbeamten und Angestellten benutzt wurde. Im Dachgeschoss wohnte eine aus dem Westen evakuierte Familie. Alle Bürozimmer waren dicht, das heißt mehrfach besetzt. Trotzdem arbeiteten alle Verwaltungsangehörigen - durch die Kriegskatastrophe geschockt, aber nicht mutlos - mit großem Eifer, genügsam und erfolgreich. Als erste wichtige Aufgabe sah ich die Schaffung eines eigenen Bauamtes an, um mit den drängenden Siedlungs- und Wohnungsfragen fertig zu werden, (Tausende von Evakuierten und Vertriebenen waren menschenwürdig unterzubringen.)
Bildergalerie "Amtsstube der 50er-Jahre"
Das Rathaus wird erweitert
1980: Der "Kupferkessel" entsteht
Interessant ist der Plan für einen Erweiterungsbau aus dem Jahr 1962. „Die derzeitigen Verhältnisse sind sowohl für die Mitarbeiter der Amtsverwaltung als auch für die Bevölkerung untragbar“, heißt es in der Baubeschreibung. Der Entwurf sah eine Erweiterung seitlich in südlicher Richtung hin vor, außerdem einen rückwärtigen Bau weit in die Gärten hinein nebst groß angelegtem Parkplatz am Bürgerhaus. Doch nur der Nebentrakt zur Bahnhofstraße hin ist 1965 fertiggestellt worden. An mehreren Stellen der Stadt war die Verwaltung damals untergebracht. Von den Ratsherren und der Verwaltung ist lange überlegt worden, ob und wie ein neues Rathaus gebaut werden könnte. Schließlich einigte man sich darauf, das alte Verwaltungsgebäude um ein neues Rathaus zu erweitern. Am 9. September 1980 erfolgte durch Bürgermeister Erdland der erste Spatenstich. Grundsteinlegung und Richtfest wurden am 18. September 1981 gefeiert.
„Das Rathaus strahlt Solidität aus, Solidität durch die Bausteine, die hier verwandt worden sind: Kupfer, Backstein und Holz", lobte Regierungspräsident Schleberger das Gebäude und fügte ob des reichlich verwendeten Kupfers schmunzelnd hinzu: „Wie ich hörte, haben die Bürger diesem Haus bereits einen Namen gegeben: der Kupferkessel.“